Wir hatten im Hospiz eine richtig gute Zeit

BKZ-Leser helfen: Beim Einzug ins Hospiz fällt vom Sterbenden und den Angehörigen oftmals eine Riesenlast ab – Spendenerlös für Finanzierung des Neubaus


Ein Schwerpunkt der laufenden Spendenaktion BKZ-Leser helfen liegt auf dem stationären Hospiz Backnang. Das bisherige Gebäude, in dem in den vergangenen 13 Jahren fast 1300 Gäste bestens versorgt ihre letzten Tage zubrachten, ist längst zu klein. Die Hospizstiftung Rems-Murr erstellt derzeit einen Neubau, der künftig nicht nur zwölf statt bisher acht Gästen Platz bietet, sondern der auch alle anderen Dienste und die Verwaltung in einem Haus vereint.

 

Von Renate Schweizer und Matthias Nothstein

 

BACKNANG. Wie segensreich der Dienst ist, der in einem Hospiz geleistet wird, können sich Außenstehende nur schwer vorstellen. Das Beispiel von Birgit soll dies unterstreichen. Die positiven Erfahrungen, die sie gemacht hat, haben sie dazu bewogen, selbst im Hospizdienst mitzuarbeiten.

 

Letztes Jahr im Februar ist Birgits Mann im Backnanger Hospiz gestorben. Das war eineinhalb Jahre nach der Krebsdiagnose. „Er rief mich damals um zehn vor neun am Vormittag an“, erzählt Birgit. „Ich war bei der Arbeit, eben auf dem Weg in die Frühstückspause, und er sagte: ‚Die haben Metastasen gefunden. Wo die herkommen, wissen sie noch nicht. Sieht nicht gut aus.‘“ Er starb, wie gesagt, im Februar.

 

Dieses Jahr im September hat Birgit den Vorbereitungskurs für ehrenamtliche Hospizmitarbeiter begonnen. „Es klingt verrückt, aber es war so: Wir hatten im Hospiz eine richtig gute Zeit. Miteinander. Wir beide. Natürlich will keiner ins Hospiz. Wir auch nicht. Aber von uns fiel da eine Riesenlast ab. Nicht mehr hoffen müssen. Hoffen ist so anstrengend. Und wissen: Für ihn ist gesorgt, während ich bei der Arbeit bin. Nachts wieder schlafen können. Und jede freie Minute bei ihm sein. Tatsächlich Zeit haben füreinander, weil um die Wäsche und das Essen und die Medikamente und das ganze Management kümmern sich andere.“ Nach der Entscheidung für den Umzug ins Hospiz hatten sie noch 29 Tage miteinander. 29 Tage, dann starb er.

 

Birgit ist auch danach immer mal wieder ins Hospiz gegangen. Einfach so, auf einen Kaffee. „Es ist ein guter Ort“, sagt sie. „Ich geh da richtig gern hin.“ Weil das so ist, will sie bald selber dort mitarbeiten. Deshalb der Vorbereitungskurs. „Ich hab so viel Gutes erfahren – das will ich weitergeben.“

 

Seit 2004 gibt es das stationäre Hospiz in Backnang. Acht Zimmer für Gäste – denn im Hospiz ist man Gast, nicht etwa Patient – und eines für die Angehörigen, die auch nachts ganz in der Nähe bleiben wollen. Pflegekräfte, die Zeit haben, das kostbarste Gut im Gesundheitssystem. Bestmögliche Schmerztherapie. Ehrenamtliche, die Sonderwünsche erfüllen oder auch nur aus der Zeitung vorlesen. Alles gut also?

 

Heinz Franke, geschäftsführender Vorstand der Hospizstiftung Rems-Murr-Kreis, ist stolz auf „sein“ Hospiz. „Der Entschluss Mann am Fenster im Hospizzum Neubau fiel uns nicht leicht“, räumt er ein. „Für einen Verein wie den unseren ist das natürlich eine große Herausforderung.“ Aber da war zum einen die immer länger werdende Warteliste. Eine Liste todkranker Menschen, die keine Zeit zum Warten haben. Das neue Haus wird zwölf Einzelzimmer haben, also um die Hälfte mehr als das alte Hospiz. „Mehr hat keinen Sinn“, sagt Franke, „denn es soll ja klein bleiben und familiär. Es soll seinen WG-Charakter behalten.“ Ein weiterer Vorzug des Neubaus: Jedes Zimmer dort wird ein eigenes Bad haben. Bisher müssen immer zwei Gäste ein Bad teilen. Man kann sich denken, dass das nicht immer einfach ist für schwerkranke Menschen. Zwei Küchen wird es geben: Eine Wohnküche als das Herz des Hauses, in der sich Gäste, Angehörige, Ehrenamtliche und Pflegekräfte bei einer Tasse Kaffee begegnen können. Und eine zweite Küche, in der das Essen frisch zubereitet werden kann. „Nicht zu glauben, wie viel im Hospiz gelacht wird,“ berichtet Ulrike Barth, die pflegerische Leitung des Hauses. „Vor allem in der Küche natürlich – genau wie in anderen Haushalten auch. Nur dass es hier so fürchterlich eng ist: Wenn ein Gast im Rollstuhl am Tisch sitzt, geht die Spülmaschine nicht mehr auf und an den Kühlschrank kommt keiner mehr ran. Da freuen wir uns schon sehr auf mehr Platz im neuen Haus.“

 

Mit einziehen ins neue Haus der Hospizstiftung Rems-Murr-Kreis wird auch der Kinder- und Jugendhospizdienst Pusteblume, die Koordinationsstelle für die ambulante Hospizarbeit im Rems-Murr-Kreis, die Verwaltung aller Hospizdienste und die SAPV (spezialisierte ambulante Palliativversorgung), die bis dato alle in unterschiedlichen Domizilen verteilt sind.

 

Zurück zu Birgit, der künftigen Sterbebegleiterin: „Es wird ja noch ein bisschen dauern mit dem Umzug,“ vermutet sie. „Bis es so weit ist, bin ich mit dem Vorbereitungskurs fertig. Und dann pack ich mit an. Darauf könnt ihr euch verlassen!“

 

Wer für die Aktion der Backnanger Kreiszeitung spendet, der kann seine Spende steuerlich absetzen. Bis 200 Euro akzeptiert das Finanzamt die Spende ohne besonderen Beleg, bei Beträgen darüber stellt der gemeinnützige Verein BKZ-Leser helfen eine Spendenbescheinigung aus. Die Namen der Spender werden veröffentlicht. Wer das nicht will, soll dies auf der Überweisung vermerken. Heute liegen in der BKZ vorgefertigte Überweisungsträger bei. Allen Spendern gilt ein herzliches Dankeschön.

 

> bkz-online

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