Die Welzheimer Hospizgruppe feiert in diesem Jahr ihr Zehnjähriges

Begleitung auf dem letzten Weg

Seit zehn Jahren gibt es in Welzheim eine ambulante Hospizgruppe

 

Von unserem Redaktionsmitglied Mathias Ellwanger

 

Welzheim. Da sein, wenn die letzten Tage und Stunden nahen, zuhören und kleine Wünsche erfüllen. Aber auch Angehörige bei der Trauer begleiten und informieren: Die Aufgaben der Ambulanten Hospizgruppe Welzheim sind so vielfältig wie herausfordernd. Und doch würde keiner der Ehrenamtlichen diese Erfahrung missen wollen. In diesem Jahr feiert die Gruppe ihr zehnjähriges Bestehen.

 

Hospizgruppe – das klingt nach drei Tage Regenwetter, nach herunterhängenden Mienen und einer Arbeit, die zwar notwendig, aber auch beschwerlich, belastend und unbeliebt ist. Dass ein Mensch stirbt, das kann doch keine positive Erfahrung sein, denkt sich der Unbedarfte. Die Wahrheit ist aber eine ganz andere und im Grunde nur auf den ersten Blick verblüffend: Sterbebegleitung kann, bei allem Schwermut, den der Tod über einen Menschen legt, durchaus lustig sein, unterhaltsam, ja sogar komisch. Viel wird da gelacht, berichten die Ehrenamtlichen. Wohl weil es die letzte Lebensrunde ist und es keinen Sinn mehr hat, sich etwas vormachen zu wollen. Weil jeder Augenblick zählt. Und weil es die letzte Chance ist, das Leben noch einmal richtig intensiv wahrzunehmen.

 

Belastend – das kann so eine Sterbebegleitung durchaus sein. Nicht jeder kommt mit der Gewissheit, dass das Leben nun an sein Ende kommt, sofort klar. Und wenn doch, so sind da auch oft noch die Angehörigen, die hadern, die es nicht wahrhaben wollen, die damit den Sterbenden den Abschied womöglich erschweren. Wenn eine Begleitung besonders belastend ist, tauschen sich die Männer und Frauen untereinander aus. Viermal im Jahr erhält die Gruppe zudem eine Supervision. Es gibt also auch ein Netz, das den Helfern hilft, wenn sie mit schwierigen Situationen nicht klarkommen.

 

Und nicht immer haben die Ehrenamtlichen es mit Menschen zu tun, die ein erfülltes, langes Leben hinter sich haben. Kinder, die sterben: Was kann es daran Positives geben? Im Grunde nichts. Doch in einer solchen Situation da zu sein, jemanden nicht mit dem Schmerz alleine zu lassen, das kann enorm hilfreich sein – und das für beide Seiten.

 

Vor dem ersten Einsatz steht eine halbjährige, intensive Ausbildung

 

Einfach ist das, was die momentan neun Frauen und drei Männer aus Welzheim für andere tun, wahrlich nicht. Weshalb auch jeder von ihnen vor der ersten Begleitung eine etwa halbjährige Ausbildung absolvieren muss. In den 75 Unterrichtseinheiten (zu denen 40 hinzukommen, wenn jemand auch Kinder begleiten möchte) bei der Hospizstiftung Rems-Murr haben sie sich intensiv mit den Themen Schmerz, Trauer und Tod beschäftigt, Grundlagen der Palliativmedizin vermittelt bekommen, die richtige Gespr.chsführung eingeübt und Meditationsübungen gemacht. Sie haben erfahren, dass es bei akuten körperlichen Schmerzen eine spezielle ambulante palliative Versorgung im Rems-Murr-Kreis gibt, die zu jeder Tages- und Nachtzeit im Einsatz ist, wenn ein Patient sie benötigt. Und bei Hospitationen in Pflegeheimen und Sozialstationen haben sie erste Erfahrungen mit der Situation gemacht.

 

Sie wussten also, worauf sie sich einlassen. Und bilden sich seitdem permanent fort, um auf dem neusten Stand zu bleiben. Längst ist die Welzheimer Gruppe dadurch zu einem kleinen Kompetenzzentrum geworden. Vorträge und Beratung zum Thema Patientenverfügung sowie vorsorgenden Papieren gehören genauso zur Arbeit wie die Sterbe- und Trauerbegleitung in den Familien.

 

Rund 200 Menschen hat die Gruppe in den letzten zehn Jahren beim Sterben begleitet. Im Rahmen des kreisweiten Kinder- und Jugendhospizdienstes Pusteblume waren darunter auch zehn Kinder.

 

Wenige Stunden bis mehrere Monate dauert eine solche Begleitung, die ambulant durchgeführt wird und jedes Mal anders abläuft. Denn die Mitglieder der Hospizgruppe gehen dorthin, wo die Menschen leben: in die eigene Wohnung, das eigene Haus – oder ins Pflegeheim.

 

Kein Ehrenamt für nebenbei: Sterbebegleitung braucht Zeit

 

Die Hilfe richtet sich nach den Wünschen der Sterbenden. Dabei ist Flexibilität gefragt. Man muss sich im Zweifel die Zeit auch nehmen können und Beruf, Familie und Freizeit hinten anstellen. Vor allem dann, wenn eine Nachtwache ansteht, ein Mensch also akut im Sterben liegt. Ein Ehrenamt für nebenbei ist die Arbeit in der Hospizgruppe eben nicht. Hier geht es ums Existenzielle.

 

Das beschreiben die Ehrenamtlichen dann aber auch als das Schöne an der Arbeit: die kleinen, doch in den letzten Augenblicken vielleicht entscheidenden Wünsche, mit denen man die Menschen beglückt. Das kann ein Ei nachts um halb zwei sein, das letzte, sündige Glas Rotwein oder eine ganz profane Brezel mit Butter. Aber auch die kleinen Momente, die ohne Worte auskommen, wie die Umarmung kurz vor dem Tod – ein Dank, der im Grunde unbezahlbar ist.

 

Und so sagen auch alle Mitglieder unisono, dass sie es sofort wieder tun würden. Dass es eine tolle Sache ist, anderen Menschen in einer solchen Situation zu helfen. Dass da ganz viel zurückkommt. Und sie bei der ehrenamtlichen Tätigkeit bisweilen mehr Freude und Glück erfahren als auf ihrer normalen Arbeit.

 

Das sind die Gruppenmitglieder. Hintere Reihe: Ingrid Wahl, Manfred Buhl, Gruppenleiter Andreas Just, Doris Walker, Brigitte Munz, Gunter Hahn, Regine Weißert. Vordere Reihe: Einsatzleiterin Gerlinde Baun, Marion Schultheiß, Renate Koch, Susanne Gaupp. Bild: Privat

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