Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der ambulanten Hospizgruppe Schorndorf berichtet: Mein Weg zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin

Am Anfang war der Wunsch


In meinem langjährigen, erfüllten Arbeitsleben war ich Vorzimmer Sekretärin auf Leitungsebene in verschiedenen Bereichen des Öffentlichen Dienstes. Organisationstalent, Teamgeist, hohe Belastbarkeit sowie Fingerspitzengefühl und Flexibilität waren damals meine Hauptkompetenzen, in deren Rahmen ich sowohl gestaltend als auch dienend wirken konnte. Dazu gehörte, neben der Mitwirkung bei der Organisation bundesweiter Tagungen, Schulungen oder Dienstreisen, auch mal schnell in der Mittagspause zum Bäcker zu laufen und für den Chef ein Brötchen zu holen, wenn er mal wieder keine Zeit für die Mittagspause hatte. Und ja, natürlich gehörte auch das Kaffeekochen dazu. Es waren gute Jahre.

In meiner Freizeit, nachdem meine Tochter das Nest verlassen hatte, widmete ich mich mit Herzblut dem Tierschutz, denn egal ob mit Haut, Fell, Federn oder Schuppen - jedes fühlende Lebewesen empfindet Wohlbehagen, Schmerzen und Angst. Wir Menschen sind aufgefordert, die uns anvertrauten Lebewesen zu beschützen.

In mein ausgefülltes Leben platzte plötzlich unerbittlich das menschliche Leid herein. Meine liebe frühere Klassenkameradin Meta, die vor vielen Jahren den Krebs besiegt zu haben glaubte, erkrankte erneut sehr schwer. Der Krebs war mit geballter Macht zurückgekehrt und ihre Lebenszeit schwand dahin. Wir hatten nie ganz den Kontakt verloren und so war es selbstverständlich, dass ich sie während ihrer letzten Wochen im Hospiz Bietigheim-Bissingen besuchte.
Bei meinem ersten Besuch war mir etwas ‚mulmig‘. Wie würde ich Meta antreffen und würde ich das aushalten? Ich war überrascht von der angenehmen Atmosphäre, die sogleich beim Betreten des Gebäudes zu spüren war. Da war alles hell und freundlich. Die Zimmer waren gemütlich eingerichtet, u.a. mit geblümter Bettwäsche. In Metas Zimmer erkannte ich einige ihrer persönlichen Dinge, darunter einen großen Fernseher. Durch das Fenster blickte man in einen schönen Garten mit Blumen und Vogelgezwitscher. Eine gewisse Traurigkeit oder Beklommenheit, die ich erwartet hatte, war hier nicht zu spüren. Meta lag entspannt im Bett, war medizinisch und pflegerisch gut betreut, so dass sie keine Schmerzen erleiden musste. Sie hatte sich für meine Besuche Pommes und Cola gewünscht, obwohl sie kaum noch essen konnte. Diesen Wunsch habe ich ihr gerne erfüllt. In der Stationsküche durfte ich den Pudding zubereiten, den sie so gerne mochte. Schließlich durfte Meta friedlich einschlafen.

Seit diesen Tagen hatte ich den Wunsch mich, nach Eintritt in den Ruhestand, in diesem unvermeidlich letzten Abschnitt jeden Lebens, zu engagieren. Auf welchem Wege war mir damals noch nicht klar. Bis zum Renteneintritt waren es ja auch noch 10 Jahre. Der Gedanke aber blieb.

 

Dem Wunsch folgte die Tat
Ich war gerade mal 3 Monate im Ruhestand, als mir eine Zeitungsanzeige in die Hände fiel: das Hospiz Backnang veranstaltete einen ‚Tag der Offenen Tür‘.

 

Die Teilnahme daran bestärkte meinen Entschluss, mich ausbilden zu lassen.

Der aktuelle Einführungskurs hatte bereits begonnen und ich ließ mich, nach einem ersten persönlichen Gespräch, für den nächsten Kurs in 6 Monaten vormerken.

Im Oktober 2019 ging es los. Jeden Montagabend trafen wir uns im Hospiz in Backnang. Unsere Gruppe bestand, neben den Hospizreferentinnen aus 13 Frauen und 2 Männern mit demselben Ziel. Wir alle haben uns von Anfang an sehr gut verstanden. Neben den regelmäßigen Unterrichtsstunden sowie zwei Wochenenden, erlebten wir einen Abend auf der Palliativstation und einen ‚Pflegetag‘. Die Atmosphäre während der Unterrichtsstunden war stets offen und vertrauensvoll. Hospitationen im ambulanten Pflegedienst sowie einer stationären Einrichtung gaben mir wertvolle Einblicke in die Praxis.
Die Inhalte des Vorbereitungskurses führten naturgemäß auch zur Reflexion und möglicherweise zur Neubewertung eigener Erfahrungen und Erlebnisse. Hierbei war die Ausbildungsgruppe eine große Bereicherung. Es wurde ein Netz gesponnen, das bis heute trägt.

Die Praxis
Mit leichter, Corona bedingter Verzögerung, wurden wir im September 2020 mit geistlichem Segen feierlich in unser neues Ehrenamt eingeführt und in die verschiedenen Ortsgruppen entsendet. Ich gehöre nun zur Gruppe Schorndorf. Mit zwei weiteren frisch gebackenen Ehrenamtlichen wurden wir sehr freundlich aufgenommen. Das Hospiz-Netz trägt auch hier und unterstützt bei allen Fragen und anfänglichen Unsicherheiten. Die monatlichen Gruppentreffen und die Supervisionen sind nun fester Bestanteil meines Kalenders und ich nehme gerne teil. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit in Präsenz oder online an Fortbildungsangeboten der Elisabeth-Kübler-Ross-Akademie teilzunehmen.

Meine erste Begleitung war leider nur sehr kurz. Ich bedauere, dass wir so manches Mal erst zu spät gerufen werden, wenn eine verbale Kommunikation mit der sterbenden Person schon nicht mehr möglich ist. Trotzdem, oder gerade dann, wenn keine Kommunikation durch Sprache mehr möglich ist, kann Beistand durch einfühlsame Berührung, ruhige Musik oder auch durch schweigendes Dasein und Mitaushalten - den Weg mitgehen - geleistet werden. Möglicherweise ist es für den Sterbenden hilfreich, im Falle einer geäußerten, nicht bereinigten Kränkung oder Verletzung zu vermitteln, damit der letzte Weg unbelastet angetreten werden kann. Dadurch könnte möglicherweise auch die Trauerarbeit der Angehörigen erleichtert werden.

Spuren in meinem Leben
Inzwischen habe ich ganz unterschiedliche Abschiedswege aus dem Erdenleben begleiten dürfen. Jeder lebt sein eigenes Leben und stirbt seinen eigenen Tod. Es sollte aber niemand alleine sterben müssen. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten.


Die einfühlsame Hinwendung zu Schwerstkranken und Sterbenden, ohne Berücksichtigung von Religion und Weltanschauung, eröffnete mir selbst eine neue, tiefere Sicht auf das Leben und dessen Ende und ist somit eine große Bereicherung auf meinem eigenen Entwicklungsweg. Dafür bin ich sehr dankbar.

Ich bin angekommen im Ehrenamt, in der Gruppe und bei den Menschen.

 
Text: Adelheid Frank

Am Anfang war der Wunsch
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